Wie Führungskräfte und Arbeitskräfte heute bestmöglich zusammenarbeiten
550 Gäste nehmen an Arbeitnehmertag der Landwirtschaftskammer Niedersachsen teil
Hannover – Wie lassen sich Arbeitsverhältnisse in der grünen Branche in Zeiten des Fachkräftemangels sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgebende bestmöglich gestalten? Denkanstöße und Lösungsansätze dazu haben rund 550 Besucherinnen und Besucher beim 15. Arbeitnehmertag der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) am Donnerstag, 16. November, im Rahmen der Messe Agritechnica in Hannover bekommen.
Nach der Begrüßung durch LWK-Präsident Gerhard Schwetje und Sven Foppe (Volksbanken und Raiffeisenbanken Weser-Ems) gab Annika Pape von der Milchhof Pape KG aus Granstedt (Landkreis Rotenburg) einen Einblick in die Arbeitsorganisation ihres Milchviehbetriebes. Zum Familienbetrieb in achter Generation, den Pape mit ihrem Mann 2010 übernommen hat, zählen 280 Milchkühe inklusive Nachzucht und eine 470kw-Biogasanlage.
„Wir wollen einen gesunden Tierbestand, eine gute Milchleistung, eine ertragreiche Ernte, Geld verdienen und dabei eine ausgewogene Work-Life-Balance“, zählte Pape auf. Zu erreichen sei all das nur mit zufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Voraussetzung dafür seien klare Strukturen, eine präzise Aufgabenverteilung und ein motiviertes Team, wie die Referentin hervorhob. Sie erläuterte die Arbeitsorganisation anschaulich durch verschiedene Pläne. Auch ihre Mitarbeitenden kamen in Videobeiträgen zu Wort und beschrieben aus ihrer Sicht die Bedeutung der guten Arbeitsorganisation.
- ein respektvoller, fairer und wertschätzender Umgang miteinander
- Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
- Getränke und Kekse im Stall sowie Verpflegung bei Spitzenarbeitszeiten
- ein Geburtstags- und ein Weihnachtsgeschenk
- Mitarbeitergespräche
- gemeinsame Veranstaltungen, z. B. ein Sommerfest und eine Kohltour
Schließlich, so hob Pape hervor, seien Mitarbeitende, denen das Unternehmen am Herzen liegt, auch gute Botschafter für den Betrieb und die Landwirtschaft.
Die 24-jährige Luise Brinkmann, Sprecherin des Agrarausschusses der Niedersächsischen Landjugend, schilderte im Anschluss, was die junge Generation ihrer Einschätzung nach von der Arbeitswelt erwartet. Zum Aspekt Wertschätzung zählten für Brinkmann beispielsweise die Selbstbestimmung, den eigenen Tagesablauf selbst gestalten zu können, Respekt, eine Bezahlung von mehr als 13-18 Euro pro Stunde sowie Vertrauen. Sie forderte einen deutlichen Abstand zum Mindestlohn für Beschäftigte in der Landwirtschaft.
Zum Aspekt Struktur gehörten für Brinkmann u. a. gegenseitige Verlässlichkeit und Flexibilität, eine Planbarkeit bei den Arbeitsabläufen sowie Abwechslung und Möglichkeiten in Form von Weiterbildungen. Für das Arbeitsklima sei ein familiäres/freundschaftliches Verhältnis ideal, da Probleme leichter angesprochen werden könnten und man so gerne seine Zeit auf der Arbeit verbringe. Auch dem Aspekt Arbeitsplatz sprach die Referentin eine hohe Bedeutung zu: Dieser sei am besten modern und so gestaltet, dass der Arbeitgeber dort selbst gern arbeiten würde.
„Wenn auf beiden Seiten voller Einsatz füreinander besteht, ist das die Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit“, befand Brinkmann.
Dass eine Führungskraft heute mehr und mehr die Rolle eines Coaches innehabe, darauf ging Eckart Schlamann (Entra Beratung Hof Schlamann) in seinem Vortrag ein. „Das ist ein Paradigmenwechsel“, erläuterte der Referent, „die Führungskräfte heute haben eine Sensibilität, sie schauen den Leuten ins Gesicht und können Nuancen erkennen.“ Betriebe bräuchten immer mehr Leute, die mitdenken und mit Leidenschaft dabei sind. „Das geht nur, wenn du selbst brennst!“, mahnte Schlamann.
Zu den Kernaufgaben einer Führungskraft gehören für ihn das Entscheiden, Kontrollieren & Beurteilen (Schlamann: „Junge Leute brauchen Feedback!“), Organisieren & Gestalten, Entwickeln & Stärken, Informieren & Kommunizieren, Setzen von klaren Zielen und Motivieren. Eine Führungskraft müsse genau gucken, wo sie Menschen verliere. Anschließend erläuterte Schlamann die „Stufen der Führung“:
1. Stufe – Klarheit in Rollen und Aufgaben: Weiß jeder Mitarbeiter, wofür er verantwortlich ist, was seine Aufgaben sind und wie die Arbeit erledigt werden soll?
2. Stufe – Kommunikation mit System: Ist jeder Mitarbeiter immer ausreichend mit Informationen versorgt, die ihn und seinen Arbeitsbereich betreffen?
3. Stufe – Führung für Entwicklung & Wachstum: Bekommt jeder Mitarbeiter regelmäßig Rückmeldungen und hat die Chance, sich weiterzuentwickeln?
4. Stufe – Beteiligung: Verantwortungsübergabe, Systematische Beteiligung von Mitarbeitern an der Unternehmensentwicklung
Es sei oft fahrlässig, welche Leute ohne ausreichende Vorbereitung in Führungspositionen kämen, konstatierte Schlamann. Es entstünden Kollateralschäden für die Mitarbeitenden, aber auch für die Führungskraft selbst. Manchen Menschen habe er auch schon von der Führungsrolle abgeraten.
Zum Abschluss freute sich LWK-Vizepräsident Heinrich Grupe über die gute Beteiligung am Arbeitnehmertag. Für ihn haben die grünen Berufe und deren Attraktivität eine hohe Bedeutung für die Sicherung des Berufsnachwuchses. Die LWK Niedersachsen unterstützt hierbei mit dem Fachbereich Arbeitnehmerberatung, Weiterbildung und den Willkommenslotsinnen.
Durch das Programm des LWK-Arbeitnehmertages, der unter Schirmherrschaft des Niedersächsischen Arbeits- und Sozialministers Dr. Andreas Philippi stattfand, moderierte Janina Tiedemann. Die Veranstaltung richtete sich an Berufseinsteiger*innen, Fachschüler*innen, Studierende, Nachwuchskräfte, Jobsuchende, Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen aus dem Agrarbereich und an Berater*innen der Arbeitsverwaltungen.